Geänderte Situation

Der Spaghettiberg wackelt wieder. Nach etlichen Jahren, in denen ich keine über meinen ganz direkten Alltag hinausgehende Bedürfnisse hatte, hat sich meine Situation nun dahingehend geändert, dass plötzlich Energie zur Verfügung steht, die ich einerseits als Last, andererseits auch als Möglichkeit sehe. Als irgendetwas, was mich weiterziehen möchte. Die Frage ist nur: Wohin?

Es hat mit der Arbeit zu tun: Kam ich in den letzten Jahren regelmäßig erschöpft (aber zufrieden) nach hause und hatte kein Bedürfnis nach "mehr", so ist es jetzt eher so, dass ich nach hause komme und mich frage: Und nun? Es kann sein, dass es mit der fehlenden Bühne zu tun hat, wie etwa D. meint. Es kann aber auch sein, dass die Arbeit einseitiger geworden ist.

Auf jeden Fall verspüre ich gerade mal wieder so etwas wie einen völligen Umbruch nach Jahren vermeintlicher Stabilität, die eher wie ein Haus auf Streichholzbeinen wirkte. Solch ein Streichholzhaus ist ein empfindliches Konstrukt, festgemacht an vielen sorgsam aufeinander abgestimmten Kleinigkeiten, das gerne zusammenklappt, sobald sich eines dieser Beinchen ändert.

Es war mir aber auch von vornherein klar gewesen, als ich den Job annahm, dass es so kommen würde. Und es ist immer wieder erstaunlich, wie zuverlässig dieser Mechanismus funktioniert, der darin besteht, dass eine zunächst kleine Veränderung im Leben stets ganz viele weitere Veränderungen nach sich zieht, mit denen man zunächst gar nicht gerechnet hätte. Wohin die geänderte Situation in diesem ganz konkreten Falle dann führt, ist dabei gar nicht einmal so wichtig. Ich sehe es erst einmal als Chance und bleibe aufmerksam.

 

Nichts zu verlieren

Im Radio hörte ich, wie der amerikanische Präsidentschaftskandidat Trump bei einer Wahlveranstaltung in einem vor Allem von ärmeren, nicht-weißen Menschen bewohnten Viertel freudestrahlend verkündete, sie (diese Menschen) hätten ja eh nichts zu verlieren, und deshalb spräche doch wohl alles dafür, "etwas neues auszuprobieren" - also ihn als Präsidenten wählen.

Als ich das hörte, verstand ich den Menschen Trump mit einem Male besser, und mich gruselte gehörig.

Ich weiß, dass dieser Herr Trump in vielen Kreisen als eine Art Heilsbringer gefeiert wird, einer der authentisch ist, der positive Wahrheiten verkündet und endlich einmal das so genannte Establishment, welches ja angeblich nur noch verfilzt, korrupt und verlogen sei, aufmischt. Selbst Autoren, die ich einmal für vernünftig hielt, wie Gerd-Lothar Reschke (der sich aber wohl gerade eher in einer Art Malamati-Phase befindet), stoßen in dieses gemeingängige Horn, und man gefällt sich darin, sich  gegenseitig zu übertrumpfen im allgemeinen Schimpf auf Lügenpresse, Geldwirtschaft, politische Klasse, usw.. Ein bisschen wie die Waschweiber am Fluss. So weit, so schlapp.

Jeder hat das Recht, seine Meinung zu äußern. Ich brauche sie mir ja nicht anzueignen. Ein einigermaßen nüchterner Blick auf Trumps 15mal operierte Frau, auf seine Geschäftspraktiken, auf seinen Umgang mit anderen Menschen reicht aus, um zu wissen, wie viel Authentizität, Distanz zum Establishment und Wohlwollen da wirklich vorhanden sind: Gar nichts, weder von dem Einen noch von dem Anderen. So weit, so gut.

Bei dieser jüngsten Äußerung fiel mir dann aber auf, was da wirklich los ist, und weshalb jene Leute, die ihm folgen und ihn nachzuvollziehen versuchen, einer üblen Masche aufsitzen, die ihnen früher oder später auf ganz persönliche Weise schaden wird - und zwar ganz unabhängig davon, ob Trump letztendlich gewählt wird oder nicht. Alleine nämlich die Tatsache, sich auf ihn einzuschwingen, bewirkt menschlichen Schaden.

Wer tagaus, tagein nur sich selbst als Thema hat und sogar seine eigene Familie vorschickt und instrumentalisiert, um sich selbst in besserem Licht darzustellen, der hat ganz offensichtlich vergessen, dass es hier nur um eine Präsidentenwahl geht, nicht aber um Gurutum. Von einem Präsidenten erwarte ich gewisse handwerkliche Fähigkeiten, eine Portion Erfahrung, die Kenntnis der Richtung, in die es gehen soll - und außerdem die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen. Ein bisschen wie ein Busfahrer. Der soll gut fahren können, zuverlässig sein, die Route kennen und im Notfall für die Fahrgäste da sein. Ob er Opern singen kann, eine Puppe zur Frau hat und gute Witze erzählen kann, ist für mich eher sekundär. Ich glaube, das nennt man Fachkompetenz. Trump besitzt das nicht, ist also als Präsident völlig ungeeignet. Aber so weit war ich bislang ja auch schon.

Diese jüngste Äußerung aber offenbart "Kaiser Trumps neue Kleider" nun doch in aller Pracht: Sein ganzer Aufstieg beruht, so merke ich jetzt, einzig und allein darauf, dass es anderen Menschen schlechter geht als ihm selbst, bis zu dem Punkt, wo sie ihre Selbstachtung verlieren. Einziges Prinzip seines Handelns (und das war wohl schon in seiner Zeit als Immobilienmogul so) ist die gezielte Zerstörung der Selbstachtung der Menschen, denn nur so kann er sie als Instrument für seine Zwecke benützen.

Das tut er, indem er sie ganz offen persönlich niedermacht, was noch die harmlosere, weil durchsichtigere Variante ist. Oder er tut es, indem er sich selbst permanent über andere stellt und mit seinem vermeintlichen Glanz alles andere zu überstrahlen versucht - auf dass keine ernsthaften Fragen nach der realen Welt, nach realen Fähigkeiten, nach realen Antworten aufkommen mögen. Oder er tut es, und das ist die perfideste Variante, wie mir jetzt erst klar wurde, indem er andere mit bestimmten, scheinbar harmlosen, aber in Wirklichkeit verletzenden Äußerungen herabsetzt: "Ihr habt doch nichts zu verlieren."

Tatsächlich haben diese Leute durchaus etwas zu verlieren. Jeder hat etwas zu verlieren. Familie, Gesundheit, Freude, das Leben usw.. Das Einzige, was sie vielleicht wirklich nicht zu verlieren haben, ist Geld. Für mich offenbart das dann im Rückschluss aber auch, dass Trump selbst, außer Geld, nichts  wertschätzen kann - sonst würde er nicht so reden. Da hat er sich mal schön selbst die Unterhosen ausgezogen. Und wer der als positive Energie verkleideten Negativ-Wolke, die er um sich verbreitet, glaubt, der findet sich dann bald in derselben Lage wie Trump selbst: Voller Verachtung, ohne jede Wertschätzung, verbiestert und im persönlichen Ego-Glitzer gefangen. Viel Spaß dabei!

Ganz nüchtern betrachtet sind diese Worte von Trump nämlich auch exakt dieselben, die ein Heroindealer einem potenziellen Neukunden andienen würde: "Du hast nichts zu verlieren. Von daher kann es nur besser werden, wenn du etwas neues ausprobierst. Vertraue mir."

 

Gerd-Lothar Reschke

Die Aktivitäten Gerd-Lothar Reschkes haben mich schon immer fasziniert. Zu Beginn war es echte Begeisterung, da er viele Dinge aussprach, die ich in meinem Innersten nachvollziehen konnte. Ich lernte durch ihn neue Ansätze, die Welt und vor Allem mich selbst zu betrachten und auch entsprechend zu handeln. Nicht zuletzt diese Seiten hier sind ein Ausdruck dieser Begeisterung.

Seit ein paar Jahren dann faszinierte er mich aus einem anderen Grund: In dieser Zeit hatte er damit begonnen, politisch-gesellschaftliche Beiträge zu produzieren, von denen ich am Anfang nicht glauben konnte, dass sie ernst gemeint waren. Zu sehr konterkarierten sie alles, was er bislang über die Begriffe "Wahrheit", "Freiheit" und "Exzellenz" (um nur drei Beispiele zu nennen) geäußert hatte. Von diesem Moment an war Gerd-Lothar so etwas wie ein wandelnder Widerspruch für mich. Ein lebendiger Beweis für Gurdjieffs Aussage, dass in jedem Menschen nicht eine einzige, sondern ganz viele, sich mitunter sogar bekämpfende Persönlichkeiten leben. Konsequenter konnte man es nicht darbieten.

Z.B. Wahrheit: Stets äußerte Gerd-Lothar, wie sehr ihm Verlogenheit, das Aussprechen von Unwahrheiten und das Nichtverfolgen von Widersprüchen zuwider seien, und wie sehr diese Dinge hinderlich auf dem Weg der Selbsterkenntnis seien. Auf der anderen Seite erliegt er wie der Fan einer Boygroup der zweifelhaften Aura eines Donald Trump, der am laufenden Bande Lügen verbreitet. Ich meine damit Lügen im reinsten Sinne des Wortes: Bewusst getätigte Falschaussagen. Und es geht dabei nicht nur um zweideutig auslegbare Dinge, sondern um ganz einfache Fakten, die nachzuprüfen auch einem Gerd-Lothar nicht hätte schwerfallen sollen. (Und jeder, der sich zum Thema "Trumps Lügen" informieren möchte wird im Netz viele, viele Quellen finden.)

Z.B. Freiheit: Freiheit fängt stets in den Menschen selbst an. Freiheit bedeutet vor Allem die Freiheit von Schubladen, von Voreingenommenheiten, von Vergangenheitsbezügen, von Projektionen. So verstand ich auch Gerd-Lothar über lange Zeiten hinweg. Nun aber ist er an einem Punkt angelangt, wo er in Schubladen, Stereotypen und Verallgemeinerungen nur so erstickt. Da wird die Welt eingeteilt in gut und böse, in ausländisch und deutsch, in fleißig und parasitär, in wahr und falsch. Da wird nur noch von Menschengruppen gesprochen, nicht mehr von Menschen. Im gleichen Zuge wird großzügig übersehen, dass es der reine Verstand mit seinen Ängsten ist, der hier das Ruder übernommen hat. Die Ängste eines Menschen, der den Kopf in den Sand steckt und von der realen Welt nichts wissen möchte und sie am liebsten einfach unter den Teppich kehren (man sollte hier vielleicht doch besser sagen: abschieben) möchte. Frei geht anders. 

Z.B. Exzellenz: Exzellent kann nur sein, wer das Feld, das er beackert, in seiner Gänze und im Detail abwägt, untersucht, und vor Allem: fühlt. So hatte ich Gerd-Lothar bislang wahrgenommen. Inzwischen sehe ich keine diesbezügliche Aufrichtigkeit mehr bei ihm. Ich sehe nur einen zutiefst routinierten Wadenbeißer, dem der menschliche Kompass schon lange abhanden gekommen ist, und der ihn durch Scheinheiligkeit zu ersetzen versucht. Die Mühe, in die Tiefe zu gehen, macht er sich schon lange nicht mehr. Da ist nur noch Masse, aber keine Qualität mehr.

Wie auch immer: Bislang nahm ich das von einer eher wissenschaftlichen Seite. Die Widersprüchlichkeit der Menschen ist ein bemerkenswerter Aspekt - und solch ein offensichtliches Beispiel wie Gerd-Lothar erleben zu können, ist ein Geschenk. Inzwischen habe ich aber das Gefühl, dass da nichts neues mehr kommt, weil da nur noch eine stereotype Schiene gefahren wird.

 

Die Klageweiber aus dem Netz

So langsam geht es einfach nur noch auf die Nerven, dieses ganze impotente Gejammere. Immer das Gleiche: die Gesellschaft werde von einem Klüngel Parteibonzen regiert, der normale anständige Bürger habe nichts mehr zu melden, es gäbe keine Verfassung in diesem Lande, alle seien gleichgeschaltet, man dürfe ja gar nichts mehr sagen und die Medien lügen ja sowieso, und überhaupt sei ja alles so schlimm.

Man hört es überall - übrigens nicht nur in Deutschland, denn dieses ganze Trump-Gelumpe in den USA, die Brexit-Schreier in Britannien (die sich dann wie jämmerliche Feiglinge aus dem Staub machten und jeglicher Verantwortung entzogen, als konkretes Handeln gefragt war und ihre bewussten Wahrheitsverdrehungen aufflogen) usw. spielen ebenfalls das immer gleiche Lied: Das Lied dessen, der sich zu kurz gekommen glaubt, und der deswegen die Welt mit seinem unreifen Gebrüll tyrannisiert - nicht anders als ein kleines Kind, das seinen Willen nicht durchsetzen konnte.

Den genau darum geht es: um reine Tyrannei. Diese Leute sind nämlich gar nicht daran interessiert, dass sich irgendetwas ändert, dass etwas besser wird. usw.. Es geht ihnen nur um Schreien und Jammern. Sie haben nicht verstanden, dass Politik dazu da ist, das Leben einer Gesellschaft zu organisieren, und dass das nur dann funktioniert, wenn die unterschiedlichen Interessen entsprechend ihrer Gewichtung in der Bevölkerung berücksichtigt werden. Und dass das wiederum nur funktioniert, wenn Kompromisse in Verhandlungen gefunden werden, die in eigens dafür vorgesehenen Foren stattfinden (in Parlamenten, Gremien, Parteien), was wiederum bedeutet, dass jeder einzelne Bürger dazu aufgerufen ist, sich informiert zu halten, den Menschen in diesen Gremien auf die Finger zu schauen und den Prozess kritisch zu verfolgen. Das ist die normalste Sache der Welt und Basis jeglicher Demokratie. Es bedeutet aber eben nicht, bei jedem kleinsten Anlass gleich alles in Frage zu stellen und den Weltuntergang zu propagieren.

Aber hier haben wir es eben nicht mit Demokraten zu tun sondern mit infantilen Schreihälsen, die den Ast, auf dem sie selber sitzen am liebsten absägen würden, aus Dummheit und mangelndem Demokratieverständnis - und die dann wiederum die wären, die am lautesten herumheulen würden, wenn die Katastrophe einträte, anstatt Verantwortung zu übernehmen und sich konstruktiv einzubringen.

Jetzt wird mir aber langsam klar, welche Ursachen diese Haltung hat. Es ist nämlich nicht (nur) Dummheit und die Sucht nach Aufmerksamkeit, die diese Leute antreibt. Ganz tief im Inneren ist es - man mag es nicht glauben, angesichts der zur Schau getragenen Angestrengtheit - einfach nur Faulheit. Ganz konkret die Faulheit, sich tiefer in Dinge und Prozesse einzufühlen, die Faulheit, sich für neue Lösungen, Wege und Entwicklungen zu öffnen, und vor Allem die Faulheit, sich konstruktiv in den politischen Diskurs einzubringen und an realen Lösungen zu arbeiten.

Das kostet nämlich Energie und Zeit, und man könnte sich dabei ja sogar die Hände schmutzig machen, sprich: man könnte Gegenwind erfahren, und zwar ganz konkret im Hier und Jetzt, von Menschen aus Fleisch und Blut - und nicht nur irgendwo im Netz wo alles so schön schillert, aber nichts wehtut. Aber es ist eben immer leichter, schmollend mit verschränkten Armen in der Ecke zu stehen. Leichter, aber eben auch freudloser - und es ist genau jene Freudlosigkeit, die als abstoßender, säuerlicher Geruch dort wahrnehmbar ist, wo diese Klagehaltung praktiziert wird, sei es im Netz oder im realen Leben.

Damit ist es dann aber entlarvend vor Allem für jene, die sich auf diese Haltung einlassen und von ihrem gemütlichen Wohnzimmer aus Beschimpfungen und Wehklagen durch das Netz über die Welt verbreiten zu müssen glauben - und die meinen, das alleine sei schon konstruktive Mitwirkung. Und die sich dann wundern, dass niemand das hören möchte. Es sind die Klageweiber aus dem Netz. Ich habe inzwischen nur noch Mitleid mit ihnen.